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Kraftschluss, ein Nobody in Kfz-Lehrbüchern |
Hans-Dietrich
Zeuschner, 03.03
“Warum haben Rennwagen oder auch Ackerschlepper an den Triebrädern so
breite „Puschen“, wo doch die Reibung von der Größe der Auflagefläche
nicht abhängig sein soll?“
In vielen Fällen wird diese Schülerfrage im Unterricht
nicht sachgerecht beantwortet, denn man findet zwar in jedem
Kfz-Lehrbuch das Kapitel
Fahrwiderstand und den Abschnitt Rollwiderstand,
nicht dagegen die Schlüsselbegriffe
Formschluss und Kraftschluss. Dabei
spielen beide Größen nicht nur in der
allgemeinen Metalltechnik / Fügetechnik dominierende Rollen sondern sind gleicher Maßen für die Übertragung
von Radumfangskräften in der Kfz-Technik verantwortlich (vgl. Tabelle 1),
Vom Widerstand …….
Der Rollwiderstand, eine Spezialform der Reibung,
eines Rades ist bekanntlich abhängig von
►
der Normalkraft FN, die auf das Rad wirkt,
sowie
von der Rollreibungszahl μR, die wiederum abhängt von
►
der Reibpaarung, z.B. Gummi / Asphalt
►
der Reifenbauart, -größe und dem Betriebszustand
►
der Umfangs- bzw. der Fahrgeschwindigkeit
…….. zum Vortrieb
Bei formschlüssigen Verbindungen
übertragen die Formschlussflächen
durch ihr gegenseitiges Anliegen das Drehmoment. Diese
Verbindungen können nie rutschen und haben keinen Schlupf, sie übertragen
Drehmoment und Bewegung zwangsläufig. Die Gurtkette gehört u.a. zu dieser Kategorie (siehe Bild
1).
Weniger Formschluss – mehr
Kraftschluss
Bei Kfz-Reifen ist der Anteil Formschluss
je nach Bauart generell klein, z.B. bei Nkw-Winterreifen noch feststellbar, bei
Slicks praktisch vernachlässigbar.
Hier spielt der Kraftschluss die dominierende Rolle. Der Kraftschlussbeiwert μK ist eine Funktion
des Schlupfes, abhängig von Art, Güte und Zustand der Fahrbahn sowie von den
Reifenmerkmalen in der Reihenfolge: Durchmesser – Profil – Innendruck (vgl.
Bild 2).
Tabelle 1
Verbindungstechniken
im Überblick Stoffschlüssige Verbindungen Die Bauteile werden durch ein flüssiges Medium gefügt z.B. ═ durch Schweißen ═ durch Löten ═ durch Kleben Formschlüssige
Verbindungen Die Bauteile werden durch ein zusätzliches Element verbunden oder sie greifen a.G. der Form ineinander z.B. ╪ durch Stift ╪ durch Niet ╪ durch Schraube ╤ durch Feder ╤ durch Keil ◙◙ durch Zahnräder ◙| durch Zahnrad/Zahnstange ◙◙ durch Zahnriemen/Zahnräder ◙◙ durch Ketten/Kettenräder ◙◙ durch Gurtkette/Kettenräder Kraftschlüssige
Verbindungen Die Bauteile werden durch äußere Kräfte durch Reibung zwischen Flächen übertragen z.B. ►◄ durch Kupplung ►◄ durch Kegeltrieb ►◄ durch Flachriementrieb ►◄ durch Keilriementrieb ►◄ durch
Kfz-Triebräder
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Bild 1 (FH Köln)
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Bild 2 (Schulz,H.u.a.)
Ohne Schlupf keinen Hupf
Ein unbelastetes Rad rollt schlupffrei. Sobald jedoch eine Umfangskraft übertragen wird, entsteht an einem
rollenden Rad eines Fahrzeugs Schlupf,
d.h. Radumfangsgeschwindigkeit
und Fahrgeschwindigkeit differieren untereinander.
Beim
treibenden Rad ist die Radumfangsgeschwindigkeit größer als die
Fahrgeschwindigkeit, im Grenzfall dreht das Rad durch, während die
Vorwärtsgeschwindigkeit
des Fahrzeugs gleich Null ist. Umgekehrt liegen die Verhältnisse, wenn das Rad
eines Fahrzeugs abgebremst wird. In diesem Falle ist die
Radumfangsgeschwindigkeit kleiner als die Fahrgeschwindigkeit. Im Grenzfall
blockiert das Rad (Umfangsgeschwindigkeit = 0) und das Fahrzeug rutscht.
Üblicherweise
wird der Schlupf in Prozent angegeben, wobei man bei der Definition das reine
Rollen eines unbelasteten Rades gleich Null und das Durchdrehen eines treibenden Rades bzw. das Blockieren eines
bremsenden Rades gleich Eins bzw.100% setzt. Feuchtigkeit oder gar Flüssigkeit zwischen Rad und Fahrbahn mindern den Kraftschluss
bis zum Aquaplaning.
Bild 3 (Schilling,E.)
Erfahrungswerte von Kraftschlussbeiwert
μK und Schlupf sw für
verschiedene Laufwerke auf landwirtschaftlich genutzten Böden
Bild 4 (Schilling,E.)
Einfluss des Reifendurchmessers auf den Kraftschlussbeiwert μK– Schlupf sw – Verlauf auf landwirtschaftlich genutzten Böden
Erläuterung: Reifenbezeichnung 8 – 24 bedeutet 8 Zoll Reifenbreite sowie 24 Zoll Felgendurchmesser
Der (feine) Unterschied
Die Kurven in den Bildern 3 und 4 gelten für die Kombination
Ackerschlepperbereifung / landwirtschaftlich genutzte Böden.
Oberhalb des nutzbaren Schlupfbereichs nähert sich die Kurve einem
asymtotischen Grenzwert. Die Ursache hierfür dürfte in der Tatsache
begründet sein, dass in diesem Fall sowohl
Kraftschluss als auch ein geringerer
Anteil Formschluss wirksam ist.
Dagegen
bezieht sich Bild 5 auf eine bestimmte Kombination
Nkw-Reifen / feste Fahrbahn. Unter den gegebenen Verhältnissen steigt der Kraftschlussbeiwert bis zu einem Höchstwert an, um danach bei 100%
Schlupf beim Grenzwert Kraftschlussbeiwert
μK =
Gleitbeiwert μG anzukommen (vgl. Bild 5a).
Aus diesem Zusammenhang erklärt sich der Einsatz von Traktionskontrollen
beim Start von Rennwagen.
Bild 5 (Schulz,H. u.a.)
Die Sache mit dem Latsch
Bei einem angetriebenen Rad ist die Radumfangsgeschwindigkeit höher als
die Fahrgeschwindigkeit, verursacht durch die Elastizität des Reifens. Während
der Zeit, in der der Reifen mit dem Latsch an der Fahrbahn haftet, staut sich
der Reifenumfang vor dem Latsch und wird gleichzeitig dahinter auseinander
gezogen. Dadurch entsteht Formänderungsschlupf
(Bild 5c), der bis zum Erreichen der Maximalwerte der
Kraftschlussbeiwerte (Bild 5a) überwiegt. Anschließend kann
der Kraftschlussbeiwert schnell
auf den Gleitbeiwert bei 100% Schlupf abfallen, mit dem Erfolg, dass das Rad
durchdreht oder blockiert, je nachdem ob angetrieben oder gebremst wurde. Die übertragbare
Gesamtkraft verringert sich, weil der Gleitbeiwert kleiner als der maximale
Kraftschlussbeiwert ist (Bild 5b), in einer Formel ausgedrückt:
μG
. FN <
μKmax. FN
In
Bild 5b ist folgender Fall dargestellt:
Ein Fahrzeug wird bei Seitenwind
oder in einer leichten Kurve mit der Radumfangskraft FU abgebremst.
Die Reaktionskraft FS1 am Latsch ist zur Erhaltung der Spurhaltung
erforderlich. Beim Blockieren
der Räder, d.h. beim Überschreiten des maximalen Kraftschlussbeiwertes fällt die übertragbare Gesamtkraft von
μKmax . FN
auf μG
. FN ab,
die Folge: bei gleicher Bremskraft FU kann
nur noch die deutlich kleinere Seitenkraft FS2 übertragen werden.
Sie reicht nicht aus, um die seitliche Störkraft auszugleichen – das Fahrzeug
schleudert, weil die überbremsten Räder ihre
Spurhaltung verlieren.
Tabelle 2 Kraftschlussbeiwerte im Vergleich
Kraftschlussbeiwert μK |
||
bei 10 % Schlupf ( nach Schulz,H.) |
||
trocken | nass | |
Beton | 0,6 bis 0,9 | 0,4 bis 0,7 |
Asphalt | 0,6 bis 0,8 | 0,3 bis 0,7 |
Erdweg | 0,4 bis 0,5 | um 0,3 |
bei 20 % Schlupf (nach Kirnich,G.) | ||
Betonstraße | bis 1,0 | |
Guter Feldweg | 0,7 | |
Trockener, festgefahrener, lehmiger Ton | 0,6 bis 0,7 | |
Trockener, normaler Ackerboden | 0,4 bis 0,5 | |
Grasnarbe, Stoppel geschält | 0,35 bis 0,45 | |
Sehr feuchter, sandiger Lehm, geschält | 0,25 bis 0,35 | |
Feuchter, anmooriger Sand | 0,23 bis 0,32 | |
Nasser, toniger Lehm | 0,15 bis 0,25 | |
Feuchtes, lockeres Hochmoor | 0,15 bis 0,25 |
Schlussbemerkung
Dieser Beitrag ist horizontal und vertikal auf das Berufsschulniveau
reduziert worden. Über dieses
Niveau hinaus gehendes Informationsmaterial
ist bei Reifenherstellern, z.B. bei der Fa. Continental AG Hannover, erhältlich.
Verwendete Literatur:
Hrg. Fa. Continental AG: Informationsmaterial, Hannover 2002
Kirnich,G.: Traktor Lexikon, Würzburg 1979
Schulz,H. u.a.: Landwirtschaftliche Fahrzeuge und Krane, Berlin 1987
Schilling, E.: Landmaschinen, Band Ackerschlepper, Köln 1955
Hrg. Verlag Europa-Lehrmittel: Tabellenbuch Kraftfahrzeugtechnik Haan-Gruiten 2000
Hrg Verlag Europa-Lehrmittel: Fachkunde Metall, Haan-Gruiten 1997
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Der Fachbeitrag wurde weder gekürzt noch inhaltlich verändert. Wiesinger
bearbeitet am: 19.02.15
Wiesinger